Die Künstlerin Georgia O'Keeffe (1887 – 1986) zählt zu den berühmtesten amerikanischen Malerinnen des frühen 20. Jahrhunderts. Ihre Blumenbilder, die ein Viertel ihres Gesamtwerks ausmachen, zeugen von ihrer Liebe zur Natur, die sie in ihrer Kindheit im ländlichen Wisconsin entdeckte.
O'Keefe malte ihre Blumenmotive so stark vergrößert, dass sie dadurch abstrakt wirken und allein durch ihre Größe Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Ihre Werke beeinflussten die Kunst des 20. Jahrhunderts zutiefst und O'Keefe war die erste weibliche Künstlerin, die mit einer eigenen Ausstellung im New Yorker Museum of Modern Art geehrt wurde.
“Und doch, kaum jemand sieht eine Blume wirklich – sie ist so klein -, wir haben einfach nicht die Zeit dazu. Denn etwas anschauen heisst sich dafür Zeit nehmen. So wie man sich für einen Freund Zeit nimmt. Wenn ich eine Blume genauso malen könnte, wie ich sie sehe, würde niemand genau das sehen, was ich sehe – weil ich sie klein malen würde, so klein, wie sie ist. Also habe ich mir gesagt: Ich male, was ich sehe – was die Blume für mich ist. Aber ich male sie ganz gross und bringe so die Leute dazu, sich die Zeit zu nehmen, sie anzuschauen.” O'Keeffe Mohn gehört zu ihren berühmtesten Arbeiten. Übergroß drängt sich dem Betrachter der Blick in zwei aneinander geschmiegte Mohnblüten auf, saugt seine Blicke in sich herein. Die Kraft der Farben ist überwältigend: flammende Rot- und Orangetöne, dunkles Violett und samtenes Schwarz und im Kontrast dazu die kühlen, hellen Töne, die die Farbigkeit noch steigern. Das mit Ölfarben gemalte Bild weist keine sichtbaren Malspuren auf, zarte Farbverläufe führen zu einem fast schon abstrakten Spiel von Farben und Formen. Die monumentalen Blüten sprengen den Bildrahmen, Blütenblätter und Grund fließen ineinander, so dass jede räumliche Orientierung fehlt. Obwohl es sich ganz unzweifelhaft um Blüten handelt, erklärt sich die starke Wirkung des Bildes aus dieser Mittelstellung zwischen Wiedergabe und Abstraktion. Obwohl illusionistisch in Farbe und Form erfasst, wirken die Blüten fremdartig und beunruhigend, denn die durch die vergrößernde Nahsicht sichtbaren Detailformen sind von überwältigender Kraft. Der riesig vergrößert gemalte Einblick in die Blüte enthüllt eine Farben- und Formenwelt von rätselhaft dunkler, ganz abstrakt erscheinender Schönheit.
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